14.06.2021 - Offener Brief von Landrat Fahmüller an Bundeskanzlerin Merkel

Offener Brief von Landrat Fahmüller an Bundeskanzlerin Merkel

 

 

Sehr geehrter Frau Bundeskanzlerin,

 

ich wende mich, auch im Namen der Bürgerinnen und Bürger des Landkreises, mit einem dringenden Appell zum Thema Gerechtigkeit bei der Impfstoffverteilung an Sie.

Die Corona-Pandemie ist noch lange nicht ausgestanden und wir alle wissen, dass eine Rückkehr zur Normalität nur durch eine rasche Immunisierung der Bevölkerung durch Impfung möglich ist. Selbstverständlich ist mir, wie uns allen, bewusst, dass der Impfstoff gegen das Corona-Virus ein knappes Gut ist und jeder von uns gerne lieber heute als morgen noch mehr Impfstoff zur Verfügung hätte, um seinen Bürgerinnen und Bürgern möglichst schnell einen Schutz gegen die Pandemie anbieten zu können.

Dennoch: Wir verlangen unseren Bürgerinnen und Bürgern in den letzten eineinhalb Jahren sehr viel ab, und um weiter durchzuhalten brauchen die Menschen die Perspektive, die eine Impfung bietet – und dabei muss es vor allem gerecht zugehen. Gerechtigkeit bei der Impfstoffverteilung ist jedoch ein Thema, mit dem wir im Landkreis Rottal-Inn derzeit sehr hadern.

Der Landkreis Rottal-Inn im Südosten Bayerns ist seit jeher einer der am meisten von der Coronakrise betroffenen Landkreise Bayerns und sogar Deutschlands. Wir waren mehrfach die „Nummer eins“ bei den Inzidenzwerten in Bayern und sogar im bundesweiten Vergleich zeitweise an der Spitze, weswegen wir Ende letzten Jahres beispielsweise gemeinsam mit Berchtesgaden als erstes wieder in einen Lockdown eingetreten sind – mit allen daraus resultierenden negativen Konsequenzen für unsere Bürgerinnen und Bürger und insbesondere für unsere regionale Wirtschaft.

Dank der herausragenden Arbeit meiner Mitarbeiter ist es uns trotz allem gelungen, die Kontaktverfolgung stets, auch bei hohen Inzidenzwerten aufrecht zu erhalten, wodurch es stets möglich blieb, auch sehr hohe Inzidenzwerte in einem relativ kurzen Zeitraum wieder nach unten zu bringen.

Wesentlich schlechter sieht es leider bei der Impfquote im Landkreis aus - ärgerlicherweise aus Gründen, die wir aus eigener Kraft nicht beeinflussen können.

Zum einen wurden wir, im Gegensatz zu unseren Nachbarkreisen, kaum mit Sonderlieferungen an Impfstoff bedacht. Sowohl bei der Vergabe an Grenzlandkreise als auch bei der Vergabe nach Inzidenzwert – zu einem Zeitpunkt, als wir dank der Arbeit unserer Mitarbeiter und der Disziplin unserer Bevölkerung gerade einmal wieder in den Fallzahlen gesunken waren – gingen wir weitgehend leer aus. Diesbezüglich habe ich mich mehrfach an die Bayerische Staatsregierung gewandt.

Zum anderen – und vor allem diesbezüglich wende ich mich an Sie, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin – ist die geringe Ärztedichte hier im ländlichen Raum ein großes Problem was die Zuteilung von Impfstoffen angeht. Unsere Ärzte im Landkreis engagieren sich vorbildlich für eine schnelle Impfung der Bevölkerung, wofür ich diesen sehr dankbar bin. Doch ein Vergleich der Impfquote im bundesweiten Durchschnitt zeigt, dass insbesondere mit der Freigabe von Impfungen bei Ärzten die Schere aufgrund der vergleichsweise geringen Ärztedichte im Landkreis weit aufgegangen ist und Rottal-Inn ein Stück weit abgehängt wurde. Das extrem Ärgerliche daran ist, dass wir in dem von uns errichteten und mit Hilfe des Roten Kreuzes betriebenen Impfzentrum ausreichend Kapazitäten hätten, viel mehr Menschen zu impfen – allein der Impfstoff fehlt.

Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Es kann nicht sein, dass Menschen im ländlichen Raum aufgrund der – ohnehin in vielerlei Hinsicht problematischen – geringen Ärztedichte nun auch noch bei der Impfstoffverteilung benachteiligt werden. Die Verteilung muss sich unbedingt nach Bevölkerungszahlen und nicht nach der Zahl der Ärzte richten. Wir haben in unserem Impfzentrum mehr als ausreichend Kapazitäten, die „Arbeit“ zu leisten, aber wir sind mangels Impfstoff zur Untätigkeit verdammt.

 

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

der Bundesdurchschnitt der Impfquote beträgt (Stand 12. Juni, mindestens eine Impfung) 48,1 %, der bayerische Durchschnitt liegt bei 46,2 %. Der Landkreis Rottal-Inn hinkt mit 38,5 % hier deutlich hinterher, obwohl wir alle Voraussetzungen dafür geschaffen haben, deutlich mehr Menschen in deutlich kürzerem Zeitraum zu impfen. Wir brauchen dringend zusätzliche Impfdosen, um diesen Rückstand wieder aufzuholen.

Diese Situation ist für uns untragbar. Es ist unseren Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr zu vermitteln, dass ausgerechnet der von Pandemie und Lockdown besonders betroffene Landkreis Rottal-Inn bei der Impfstoffzuweisung grundsätzlich benachteiligt wird.

Aus diesem Grund bitte fordere ich mit Nachdruck, die Verteilung des Impfstoffes endlich an Bevölkerungszahlen statt an der Zahl der Arztpraxen festzumachen.

Zum anderen bitte ich Sie eindringlich, uns unbedingt zusätzlichen Impfstoff zur Verfügung zu stellen, um die durch das bisherige System in der Vergangenheit entstandenen Impflücken auffüllen zu können. Nur so kann es uns gelingen, auch im ländlichen Raum eine zufriedenstellende Durchimpfung der Bevölkerung zu erreichen.

Ich habe mich bereits vor einem Monat mit diesem Problem an Herrn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gewandt, aber leider bis heute keine Antwort erhalten.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, bitte nehmen Sie sich dieses Anliegens schnellstmöglich an. Die Menschen im Landkreis Rottal-Inn werden es Ihnen danken!

 


Mit freundlichen Grüßen

Michael Fahmüller                                                                          

Landrat