10.07.2025 - „Wechseljahre. Und jetzt? Antworten aus der Praxis“

Gesundheitsregion plus Rottal-Inn und Fachärztin klären auf 

 

Anlässlich der bayernweiten Informationskampagne „Wechseljahre. Und jetzt?“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention traf sich die Geschäftsstellenleiterin der Gesundheitsregion plus Rottal-Inn, Verena Weigl mit der erfahrenen Gynäkologin Dr. Karolin Kerschl zum Gespräch. 

 

Seit fast drei Jahrzehnten begleitet Dr. Karolin Kerschl Frauen in unterschiedlichsten Lebensphasen – vom ersten Frauenarztbesuch über Schwangerschaft und Geburt bis hin zu den Wechseljahren. Beim Treffen mit Verena Weigl spricht sie offen über hormonelle Veränderungen, belastende Symptome und individuelle Behandlungsmöglichkeiten.

„Was wir als Monatsblutung wahrnehmen, ist Teil eines regelmäßigen Hormonkreislaufs“, erklärt Dr. Kerschl. Dieser Zyklus erschöpfe sich allmählich, weil die Reserve der Eizellen zur Neige gehe – meist zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr. „Das nennt man die Wechseljahre, weil der Prozess nicht plötzlich, sondern, wenn man so will, auslaufend endet.“

Häufig beginne diese Phase mit Zyklusveränderungen – kürzeren Abständen, stärkeren Blutungen oder Zwischenblutungen. Dazu kommen weitere Symptome: „Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Schweißausbrüche, Hitzewallungen, Herzrasen, sexuelle Unlust, Gewichtszunahme, trockene Haut, Haarausfall – bis hin zu Knochenbrüchen aufgrund einer verminderten Knochendichte.“

Wie stark Frauen betroffen sind, ist sehr unterschiedlich. „Etwa ein Drittel hat keine Symptome, ein Drittel leichte und ein Drittel ist stark beeinträchtigt“, so Dr. Kerschl. Besonders belastend seien Hitzewallungen. „Ich erlebe Patientinnen, die sich jede Nacht mehrfach umziehen und die Bettdecke wechseln müssen, weil sie so durchgeschwitzt aufwachen.“

Auch die Frage nach Hormontherapie ist Thema im Gespräch. Lange Zeit war diese umstritten – heute kommt es laut Dr. Kerschl auf die richtige Auswahl und Darreichungsform an. „Was wir heute als ‚bioidentische‘ Hormone verabreichen, unterscheidet sich deutlich von denen, die früher verwendet wurden.“ Als Gel oder Spray verabreicht, seien sie dem körpereigenen Hormon sehr ähnlich und verursachten deutlich weniger Nebenwirkungen. Das Progesteron werde als Tablette oder Vaginalzäpfchen eingenommen und sei ebenfalls weit besser verträglich als früher. Dennoch betont Dr. Kerschl: „Ich muss mit jeder Frau individuell die Diskussion für oder gegen eine Hormoneinnahme führen – abhängig vom Leidensdruck und von vorhandenen Risikofaktoren.“

Auch pflanzliche Alternativen wie Präparate aus Soja, Traubensilberkerze, Yamswurzel oder Leinsamen könnten unterstützend wirken. Ergänzend verweist Dr. Kerschl auf neue Medikamente, die im Gehirn die Hitzewallungen beeinflussen. „Man muss die Maßnahmen individuell auf die Symptome abstimmen.“

Ein gesunder Lebensstil kann wesentlich dazu beitragen, gut durch die Wechseljahre zu kommen. „Frauen mit Übergewicht haben häufiger Wechseljahrsprobleme. Deshalb ist der Versuch, Normalgewicht zu halten, eine wichtige Empfehlung – auch wenn es oft schwer umsetzbar ist“, so Dr. Kerschl. Sie empfiehlt außerdem regelmäßige Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, wenig Alkohol, den Verzicht auf Rauchen sowie eine bewusste Schlafhygiene. Dazu zählen ein kühles Schlafzimmer, der Verzicht auf Kaffee am späten Nachmittag, kein Fernseher oder Handy im Schlafzimmer sowie entspannende Einschlafrituale wie Lesen, eine Tasse Tee oder ein warmes Bad.

 

Neben körperlichen Aspekten spielt auch die innere Einstellung eine entscheidende Rolle. „Älterwerden geht mit gewissen Einschränkungen einher. Wir dürfen uns deshalb nicht minderwertig fühlen, sondern stolz sein, dass wir schon so manches geschafft haben“, betont Dr. Kerschl.

Auch gesellschaftlich brauche es mehr Verständnis: „Wir Frauen brauchen durch unsere Fähigkeit, Kinder zu bekommen, eine viel kompliziertere hormonelle Steuerung – und funktionieren daher viel komplexer. Wir dürfen deshalb Empathie und Wertschätzung erwarten.“

Es geht dabei nicht nur um medizinische Empfehlungen, sondern auch um ein gesellschaftliches Umdenken. „Das Älterwerden wird oft mit Makel und Verlust assoziiert“, sagt Dr. Kerschl. „Gleichzeitig ist es aber auch ein Zeichen von Stärke. Frauen sollten in dieser Phase Wertschätzung und Empathie erfahren.“

 

Das gesamte Interview kann auf der Website der Gesundheitsregion plus Landkreis Rottal-Inn unter www.rottal-inn.de/landkreis-region/kreisentwicklung/gesundheitsregion-plus-landkreis-rottal-inn/nachgelesen werden.

 

 

BU: Verena Weigl, Geschäftsstellenleiterin der Gesundheitsregion plus Rottal-Inn beim Treffen mit Gynäkologin Karolin Kerschl.