02.07.2025 / Gesundheitsregion plus

Wechseljahre. Und jetzt? Antworten aus der Praxis

Anlässlich der bayernweiten Informationskampagne „Wechseljahre. Und jetzt?“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention traf sich die Geschäftsstellenleiterin der Gesundheitsregion plus Rottal-Inn, Verena Weigl mit der erfahrenen Gynäkologin Dr. Karolin Kerschl zum Gespräch. 

 

Stellen Sie sich bitte kurz vor. Wie lange sind Sie bereits als Gynäkologin tätig? 
Ich heiße Karolin Kerschl. Ich bin 55 Jahre alt und mittlerweile seit fast 30 Jahren in der Gynäkologie tätig. Nach meiner Facharztausbildung habe ich viele Jahre als Oberärztin im Krankenhaus Eggenfelden gearbeitet. Seit 2016 führe ich gleichzeitig mit meinem Kollegen zusammen eine eigene Praxis und habe damit die Möglichkeit, auch ambulant Patientinnen zu betreuen. Damit kann ich das ganze Spektrum der Gynäkologie, angefangen mit der Beratung junger Mädchen, über Betreuung von Schwangerschaften und Geburten, bis zur Behandlung und Operation von gynäkologischen Krankheiten, in meinem Alltag erleben und habe viel Spaß an meinem Beruf.

 

Was genau sind die Wechseljahre und wie lange dauern diese in der Regel und was können Frauen selbst tun, um gut durch die Menopause zu kommen?
Unsere Fortpflanzungsorgane, spezifisch die Eierstöcke, arbeiten in einem sehr komplexen zyklischen Geschehen, um uns die Möglichkeit zu geben, uns fortzupflanzen. Bei allen Lebewesen, und auch bei uns Menschen, ist die Fortpflanzung von der Natur als ein sehr wesentlicher Prozess vorgesehen. Das, was wir als Monatsblutung wahrnehmen, ist Teil eines regelmäßigen Hormonkreislaufs, bei dem Eizellen reifen und wieder zugrunde gehen, sofern sie nicht befruchtet werden. Wenn keine Befruchtung stattgefunden hat, versucht der Körper im nächsten Zyklus, wieder ein Ei bereitzustellen, um die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung möglichst hoch zu halten. Dieser Hormonkreislauf erschöpft sich allmählich, weil die Reserve der zur Verfügung stehenden Eizellen erreicht ist, bei den meisten Frauen zwischen 45 und 55 Jahren. Das nennt man die Wechseljahre, weil der Prozess nicht plötzlich, sondern wenn man so will auslaufend endet. Und das dauert mehrere Jahre. Das ist von Frau zu Frau völlig unterschiedlich.

 

Woran erkennt eine Frau, dass Sie in den Wechseljahren ist und wie stark können die Symptome variieren – sowohl in der Art als auch in der Intensität?
Die ersten Symptome der beginnenden Wechseljahre sind häufig Veränderungen im Blutungsverhalten. Die Frauen haben etwas kürzere Monatszyklen, bluten stärker oder bekommen Zwischenblutungen. Dies sind Anzeichen dafür, dass die Eierstöcke nicht mehr exakt nach dem Muster arbeiten, das vorgesehen ist. Da die Eierstöcke die Hormone Östrogen und Gestagen produzieren und unser Körper deutlich auf diese Hormone reagiert, spüren wir dann diese Unregelmäßigkeiten nicht nur anhand einer veränderten Blutung, sondern auch durch allgemeine Veränderungen wie Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Schweißausbrüche, Hitzewallungen, und eine ganze Palette an weiteren Symptomen, z. B. Herzrasen, trockene Augen, verminderte Belastbarkeit, sexuelle Unlust, Neigung zur Depressionen, trockene Haut, Gewichtszunahme, Haarverlust bis hin zu Knochenbrüchen aufgrund einer Verminderung des Kalkgehalts im Knochen.

 

Würden Sie als Frauenärztin ihren Patientinnen dazu raten, Hormone zu nehmen? Oder gibt es Alternativen?
Ganz pauschal kann man sagen, dass etwa ein Drittel keine Symptome bemerkt, ein Drittel hat leichte Symptome und ein weiteres Drittel ist durch Wechseljahrsbeschwerden stark beeinträchtigt. Das häufigste Symptom ist dabei tatsächlich das Vorhandensein von Hitzewallungen. Das ist auch das Symptom, das im Wesentlichen nicht durch andere Ursachen erklärt werden kann und damit eigentlich das Leitsymptom darstellt. 

Ich erlebe Patientinnen, die keinerlei Symptome angeben und ich erlebe Patientinnen, die schwer gezeichnet in die Praxis kommen, weil sie sich jede Nacht mehrfach umziehen müssen und die Bettdecke wechseln, weil sie so durchgeschwitzt aufwachen. Sie finden deshalb natürlich auch keinen erholsamen Schlaf mehr, fühlen sich am Tag völlig gerädert , sind nicht mehr belastungsfähig und neigen zu depressiven Verstimmungen. Solche Frauen brauchen natürlich dringend Hilfe, damit sie aus diesem Teufelskreis ausbrechen können.

 

Gibt es Mythen oder Fehlannahmen, mit denen Sie regelmäßig konfrontiert werden? 
Es wurde vor 23 Jahren in den USA eine riesige Studie mit 16000 Patientinnen durchgeführt, in der man Frauen mit einer Hormonsubstitution in den Wechseljahren mit Frauen ohne Hormone verglich. Dabei stellte sich schnell heraus, dass die Frauen, die mit Hormonen behandelt wurden, mehr Herzinfarkte, Thrombosen, Schlaganfälle und Brustkrebs bekamen. Diese Studie hat dazu geführt, dass in den Folgejahren die Hormonbehandlung in den Wechseljahren sehr in Verruf geraten ist und viele Jahre kaum Hormone verordnet wurden. Allerdings weiß man mittlerweile, dass die Art der Hormone, die dabei verabreicht wurden, und auch die Verabreichungsform als Tabletten, einen Großteil der Risiken für die Erkrankungen birgt. Was wir heute als „bioidentische“ Hormone verabreichen, unterscheidet sich deutlich von den bei der Studie verwendeten Hormonen. Dabei wird das Östrogen als Gel oder Spray verabreicht. Dies hat den Vorteil, dass der Körper es nicht als Tablette durch das Magen-Darm-System verstoffwechseln muss. Dadurch erscheint es so in unserem Körper, als hätten es die Eierstöcke produziert. Das wiederum bedingt, dass deutlich weniger Nebenwirkungen vorhanden sind. Das Progesteron muss man als Tablette oder Vaginalzäpfchen einnehmen, aber auch das ist mittlerweile dem natürlichen, vom Körper produzierten Progesteron von der chemischen Formel her identisch und damit wesentlich verträglicher als die Hormone, die bei der großen Studie in Amerika verwendet wurden. Das Problem ist, dass eine Studie in der Größenordnung von 2002 kaum ein zweites Mal realisierbar ist. Allerdings gibt es mittlerweile viele kleinere Studien weltweit, die zu dem Ergebnis kommen, dass nur ein leicht erhöhtes Thromboserisiko und ein leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko mit der Hormonsubstitution, wie sie heute gängig ist, zurückbleibt. Also muss ich mit jeder Frau individuell die Diskussion für oder gegen eine Hormoneinnahme unter Berücksichtigung ihrer Vorgeschichte führen. Und dann kann man abhängig vom Leidensdruck der Patientin und von vorhandenen Risikofaktoren gemeinsam zu einer Entscheidung kommen, ob eine Hormonsubstitution versucht werden soll oder nicht. Bemerkenswert ist allerdings schon, dass die Symptome der Frauen sich mit keiner alternativen Behandlung nur annähernd so gut entwickeln wie mit der Hormonsubstitution. Für mich ist eine regelmäßige Brustkrebs-Früherkennung immer die absolute Voraussetzung für eine Hormonsubstitution.

Die Alternativen, die es gibt, reichen von Sojaprodukten über Extrakte der Yamswurzel bis hin zu Produkten aus der Traubensilberkerze. Auch Leinsamen kann man versuchen. Es gibt noch ein neues Medikament auf dem Markt, das die hormonellen Steuerungsprozesse im Gehirn bezüglich der Entwicklung von Hitzewallungen beeinflusst und Erfolge verspricht. Abhängig von den Symptomen einer Patientin muss man auch da individuell mit ihr diskutieren. Bei manchen Patientinnen reicht natürlich auch aus, eine gesunde Schlafhygiene anzuregen oder Entspannungsmaßnahmen zu empfehlen. Aber wie gesagt, das sind Diskussionen, die auf die Symptome der Patientinnen abgestimmt sind.

 

Haben Sie einen Rat für Männer und die Gesellschaft im Umgang mit den Wechseljahren?
Nachdem auch bekannt ist, dass Frauen mit Übergewicht häufiger Wechseljahrsprobleme bekommen, ist der Versuch, ein Normalgewicht zu halten, die erste Empfehlung, allerdings auch häufig die am schwersten umsetzbare. Regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung, wenig Fleisch, wenig Alkohol, Verzicht auf Rauchen, das sind Dinge, die man an sich ja weiß, die aber spezifisch mit dem Älter-Werden an Bedeutung gewinnen. Nicht nur für Frauen. Und dann natürlich auch eine gewisse Schlafhygiene. Das bedeutet, ohne Handy oder Fernseher im Zimmer schlafen, versuchen, vor dem Schlafen runter zu kommen. Der Verzicht auf einen Mittagsschlaf, Verzicht auf Kaffee ab dem späten Nachmittag, ein kühles Schlafzimmer, gewisse Einschlafrituale, z.B. Lesen, eine Tasse Tee oder ein warmes Bad sind dabei hilfreich. Aber ich denke auch, das Selbstverständnis ist wichtig, dass älter werden mit gewissen Einschränkungen einher geht.  Und wir dürfen uns deshalb nicht minderwertig fühlen, sondern stolz sein darauf, dass wir ja schon so manches geschafft haben.

 

Im Gespräch: Verena Weigl, Geschäftsstellenleiterin der Gesundheitsregion plus Landkreis Rottal-Inn und Frau Dr. Karolin Kerschl, Gynäkologin.